„Als er gewahr wurde, daß die Bewohner jener Gegend ganz der Häresie ergeben waren, wurde sein Herz von großem Mitleid mit den vielen Menschen ergriffen, die so tief im Irrtum steckten. Während einer Nacht, die sie in Toulouse verbrachten, diskutierte der Supprior (Dominikus) mit dem häretischen Gastgeber, und zwar mit solchem Eifer und solcher Überzeugungskraft, daß der Häretiker der Weisheit und dem Geiste, die aus ihm sprachen, nicht mehr widerstehen konnte. Dominikus führte ihn mit Hilfe des Geistes Gottes wieder dem Glauben zu.“

aus „Dominikus  Gotteserfahrung und Weg in die Welt“  herausgegeben und eingeleitet von Vladimir J. Koudelka, S. 143

Die vom seligen Jordan von Sachsen festgehaltene Episode beeindruckt mich sehr. Man muss sich das vorstellen: am Abend einer beschwerlichen Reise bemerkt Dominikus – vermutlich müde und erschöpft – beim Gespräch mit dem Herbergswirt, dass dieser zur Sekte der Katharer gehört. Da erwacht in ihm die Leidenschaft für das Evangelium und trotz der späten Stunde diskutiert er so lange mit dem Gastgeber, bis der zum katholischen Glauben zurückfindet.

Wo ist „die Moral von der Geschicht?“

Ich weiß nicht, ob ich nach einer langen Reise, selbst wenn es mit der Deutschen Bahn wäre, mit x Verspätungen und in überfüllten Wagen, noch dazu bereit wäre, mit jemandem ein Glaubensgespräch zu führen. Für mich persönlich ginge es darum, erst einmal um diese Leidenschaft für das Evangelium zu beten, um Wachheit und Bereitschaft, den Augenblick nicht zu verpassen.

Heute sind es für uns als Dominikanerinnen und Dominikaner andere Herausforderungen, die von uns eine Antwort verlangen, ob es uns im Augenblick passt oder nicht. In Zeiten ungeheurer Verunsicherung in der Kirche, die durch Glaubensschwund, Missbrauch und inneren Reformstau wie gelähmt erscheint, ist es notwendig, auf das Wesentliche unseres Glaubens zu verweisen, auf den Wesentlichen, nämlich auf den Urheber unseres Glaubens, Jesus Christus. Unvorhergesehen, unerwartet können Gelegenheiten auf uns zukommen, von ihm Zeugnis zu geben. Mögen wir dann wach und bereit sein!