Dominikus war als Begleiter des Bischofs seiner Heimat auf dem Weg in den Norden, als er zum ersten Mal in Frankreich der Bewegung der Katharer begegnete. Ihre Anhängerinnen und Anhänger haben sich – wohl nicht zu Unrecht – wegen der misslichen Zustände von der Kirche abgewandt. Doch Dominikus hat erlebt, dass sie sich auch von vielen katholischen Glaubensinhalten entfernt hatten. Einer der ersten, bei dem er der neuen Lehre begegnete war der Wirt ihrer Unterkunft. Doch Dominikus hat es keine Ruhe gelassen, dass hier jemand offensichtlich seinen Glauben verloren hatte und – in seinen Augen-fragwürdigen Heilslehren anhing. So hat er die ganze Nacht mit dem Wirt diskutiert und konnte ihn letztlich überzeugen, zu seinem katholischen Glauben zurückzukehren. Eine Erzählung, die heute, 800 Jahre später, angesichts unseres modernen Verständnisses von Religionsfreiheit und dem Trend zu zur sehr individuellen spirituellen Suche, vielleicht befremdlich oder antiquiert anmutet. Aber es zeichnet Dominikus in meinen Augen aus, dass er einerseits selbst zutiefst in seinem Glauben verwurzelt war und in der Begegnung mit Gott im Gebet das Heil suchte – andererseits aber Menschen mit anderer Überzeugung offenherzig und sozusagen auf Augenhöhe begegnet ist. Es war ihm kein Problem, als gebildeter Kleriker auch mit weniger Gebildeten zu reden, ihnen zuzuhören und ihnen einen eigenen Standpunkt, seinen Glauben, sein Gottesbild verständlich und ansprechend darzulegen. Auch hier kommt sein Ruf „Oh Barmherzigkeit, was wird aus den Sündern“ zum Tragen. Die Sorge um das Heil, um die Fülle des Lebens treibt ihn an, den Menschen zu begegnen.

Ich frage mich manchmal, ob mein eigener Glaube, meine Gottesbeziehung so stark ist um auf anderen überzeugend zu wirken? Und ob es mir immer gelingt, Menschen mit anderer Überzeugung, anderer Lebenshaltung auf Augenhöhe zu begegnen? Aber wäre nicht gerade diese Haltung in unserer Welt der Vielfalt die Grundlage für ein friedliches Miteinander? Dem anderen zuhören, meine Haltung verständlich machen und vor allem: miteinander reden!

aus „Gedanken für den Tag“ Ö1