Liebe Schwestern und Brüder,

Wir feiern das Fest des hl. Dominikus – heute besonders, denn vor 800 Jahren, 1221, ist er in Bologna gestorben. Vor 800 Jahren kamen auch die ersten Dominikaner nach Deutschland. Seitdem haben sie, die Dominikanerinnen und die dominikanischen Laiengemeinschaften, segensreich in Kirche und Gesellschaft gewirkt.

Wenn wir dem hl. Dominikus einen Titel zulegen sollten, so wäre die Bezeichnung „Apostel der Neuevangelisierung Europas“ besonders geeignet. Als solcher kann er uns auch heute viel sagen. Wir brauchen, was der hl. Dominikus im 12./13. Jahrhundert anstrebte, eine Neuevangelisation, das heißt eine Wiederbelebung der Mission und Evangelisierung.

Sein ganzes Werk, sein großes Mühen, seine unermüdliche Sorge konzentrierten sich zunächst auf Europa, auch wenn er mit seinen Brüdern und Schwestern die Mission, die Evangelisierung aller Völker weltweit im Auge hatte.

Dominikus ging es um den Dienst am Wort Gottes. „Er wollte das Licht der Wahrheit“ verkünden und dadurch die Menschen zur Umkehr und zum Glauben führen. Deshalb wird er mit einer brennenden Fackel in der Hand dargestellt. Dominikus war Missionar. Immer wieder betonten die Zeugen im Heiligsprechungsprozess, dass er allen Menschen das Evangelium verkünden wollte, den Sarazenen, den Preußen, den Kumanen und anderen heidnischen Völkern. Bruder Frugerius von Penna schrieb: „Er erstrebte voller Eifer das Heil der Menschen, nicht nur der Christen, sondern auch der Sarazenen und anderer Ungläubigen. Er ermahnte auch die Brüder dazu. Sein Eifer für das Heil der Menschen war so groß, dass er entschlossen war, nach Festigung des Ordens, selbst zu den Heiden zu gehen und für den Glauben zu sterben, wenn es sein müsste.“

Aber zunächst lag ihm Europa am Herzen.

Bei seinen Reisen durch Spanien, Frankreich und Italien hatte er erfahren, dass der Glaube an Jesus Christus in Europa zurückging. Die Sekte der Katharer machte sich breit, die die Freiheit der Menschen und Ihre Grundrechte erheblich einschränkte. An der Ausbreitung dieser Sekte war auch die Kirche, vor allem der Klerus und die Ordenschristen schuld, die sich in Eigenbrötelei und Eigennutz verstrickten. Sie kümmerten sich um sich selbst und nicht um die Seelsorge und Evangelisierung. Der christliche Glaube, die Hoffnung und die Liebe nahmen ab. Die Folgen davon waren die Erfahrung der Sinnlosigkeit des Lebens und das Anwachsen der Unzufriedenheit vieler Menschen. Raffgier und Habsucht nahmen zu, die das persönliche Leben und die Gemeinschaft untereinander zerstörten. Es gab X Kleinkriege in Familien und Sippen, zwischen Städten und Regionen. Die Botschaft des Evangeliums von der Würde des Lebens, von Versöhnung und Frieden wurde nicht genügend verkündet und prägte das Leben immer weniger.

Dominikus brachte eine Wende. Als er 1234 heiliggesprochen wurde, sagte Papst Gregor IX. sinngemäß: „Als der Glaube an Jesus Christus und die Nächstenliebe in Europa zu erlöschen drohte, sandte Gott seinen Diener Dominikus.“

Der hl. Dominikus hatte sich zum Ziel gesetzt, Europa neu zu evangelisieren und den Glauben an Jesus Christus neu zu entzünden, damit die Menschen wieder in Friede und Freiheit, in Liebe und Freude lebten.

Eine solche Erneuerung des Glaubens haben wir jetzt im 21. Jahrhundert auch wieder nötig. Wir brauchen das Evangelium und eine erneute Evangelisierung und dazu Menschen, die sich für das Evangelium begeistern und sich für eine Neuevangelisierung einsetzen, so wie es der hl. Dominikus in seiner Zeit tat. Der dominikanische Grundsatz „Contemplari et contemplata aliis tradere – das Evangelium betrachten und das Betrachtete den anderen vermitteln“ muss wieder Einzug bei uns halten.

Dazu kann uns der hl. Dominikus Vorbild sein und Weisung geben.

Wir leben in einer Zeit, in der der christliche Glaube weltweit nicht abnimmt. Die Zahl der Christen nimmt vielmehr zu – das dürfen wir nicht vergessen -, besonders in Afrika, aber auch in Asien und in Lateinamerika. Auf dem alten christlichen Kontinent Europa geht der Glaube zurück, ganz besonders in Westeuropa und somit auch bei uns in Deutschland. Wir brauchen eine neue Evangelisierung! Wir brauchen Frauen und Männer wie den hl. Dominikus, die „Apostel der Neuevangelisierung Europas“ sind.

Wir sind weithin in einer Situation wie Elija. Wie er sind wir müde geworden und liegen unter dem Ginsterstrauch. Wir möchten den Auftrag Christi nicht mehr ausführen, Menschen für ihn und das Himmelreich zu gewinnen. Lassen wir uns anstoßen und uns sagen: Steh auf, iss und geh! Wir brauchen neu die Überzeugung, von der das Evangelium heute spricht, dass Jesus Christus für jeden Menschen und die ganzen Menschheit „Brot des Lebens“ ist. Es nährt alle Menschen und gibt das ewige Leben. Wir sind verpflichtet, allen Menschen dieses Brot zu geben. Jesus sagt auch uns „Gebt ihr ihnen zu essen“, wie in der Brotrede, von der wir heute einen Teil im Evangelium gehört haben.

Derzeit drehen sich viele in der Kirche viel zu sehr um sich selbst. Zwar in anderen Formen und mit anderen Zielen, aber auch heute sind wir in einer Situation wie damals zur Zeit des hl. Dominikus. Wir beschäftigen uns mit uns selbst, unseren Befindlichkeiten, mit unserem Standing in der Gesellschaft, mit unserer Relevanz oder Irrelevanz, mit Strukturveränderungen, mit Geld und Gut und vielen Nebenthemen, die im Evangelium wenig Bedeutung haben. Wir leben in unserer eigenen Blase als Kirche. Wir müssen hinaus und wieder das Bewusstsein bei den Menschen wecken, dass die Botschaft des Evangeliums für die Menschen und ihre Zukunft unerlässlich ist. Dafür sollen wir Zeugen und Diener sein. Dazu müssen wir eine Lebensweise entfalten, wie sie der hl. Dominikus hatte. Die zweite Lesung aus dem Epheserbrief gibt Anregung dazu: Wir müssen authentisch die Liebe zu Jesus und zu den Menschen leben. Dabei müssen wir auch praktizieren, was wir predigen. Dazu müssen wir auch erst selbst fest von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt sein und von der Notwendigkeit der Evangelisierung für die Welt. Der Evangelisierung muss immer die Selbstevangelisierung voraus gehen. Wir dürfen keine Narzissten sein und uns um uns selber drehen.

Der hl. Dominikus legte großen Wert auf die Armut. Die Armut im missionarischen und apostolischen Dienst bedeutet heute, Schlichtheit im Lebensstil und Verhalten, mit allen Menschen gut, d. h. empathisch und sensibel umgehen, nicht von oben herab, sondern miteinander Jesus Christus und seinen Heiligen Geist suchen und leben.

Die Armen weltweit müssen uns ein Anliegen sein.

Wir müssen dafür auch unseren Glauben kennen und religiös gebildet sein. Das Studium war für den hl. Dominikus sehr wichtig: Contemplari – betrachten! Ohne Kenntnis der Heiligen Schrift und der katholischen Lehre sowie des heutigen Lebens der Menschen und der Wissenschaften kann man nicht den Glauben an Jesus Christus verkünden.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir können nur dankbar sein für den hl. Dominikus. Danken wir auch für die Verkündigung und Seelsorge, die Gottesdienste und das Gebet, die Bereicherung unserer Wissenschaften und der Kultur, des religiösen und zivilen Lebens durch die dominikanische Familie bis heute. Denken wir an Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Bartolomé de las Casas, Katharina von Siena, Rosa von Lima und viele andere mehr.

Der heilige Dominikus, „Apostel der Neuevangelisierung Europas“ im 12./13. Jahrhundert, kann uns Anregung geben für die Neuevangelisierung in unserer Zeit, die wir so dringend brauchen, damit der christliche Glaube, die Hoffnung und die Liebe unser Leben befruchten und bereichern, damit wir durch das Evangelium Jesu Christi ein gutes Leben in der Gegenwart und die ewige Seligkeit im Himmel finden.

Amen.

800. Todestag des hl. Dominikus, Heilig-Grab-Kirche, Bamberg,

08. August 2021

  1. Les: 1 Kön 19,4-8
  2. Les: Eph 4,30-5,2

Ev: Joh 6,41-51