Lieber Vater Dominikus,

Verzeihe mir, wenn ich ein wenig betrübt bin über Dein Bekenntnis auf dem Sterbebett. Du hast gesagt:

„Ich muss bekennen, dass ich der Unvollkommenheit nicht entging, dass nämlich Gespräche mit jungen Frauen mein Herz mehr berührte, als wenn mich alte ansprachen.“ (Jordan, Anfänge 92)

George Bernanos hat dies vor vielen Jahren in seinem Büchlein „Dominikus“ so gesagt:

„Ich klage mich an“, sagt das Haupt aller Prediger, „ dass ich mich immer lieber als mit alten Leuten mit jungen Frauen unterhalten habe.“ 

Damals, als ich jung war, habe ich mich darüber gefreut. Du traust den  jungen Frauen so viel zu, mitten in der desolaten Situation  der Kirche des 13. Jahrhunderts auf die Frohe Botschaft Jesu zu hören und ihr Leben zu ändern. Du hast junge Frauen aus der Häresie befreit und  für den Anfang der Gemeinschaft in Prouilhe gewinnen können. Das geschah noch bevor Du Mitbrüder um Dich versammelt und den Predigerorden gegründet hast. Du hast die Frauen Deiner Zeit entsprechend an Deiner Sendung beteiligt. Viele Schwestern und Brüder haben sich in den folgenden Jahrhunderten für das Heil der Menschen eingesetzt. Die Kirche in Zimbabwe und Zambia ist auch durch unsere Gemeinschaft in Kooperation mit anderen Ordensgemeinschaften entstanden. Wir haben besonders Mädchen und Frauen durch Bildung gefördert. Mit großer Freude erleben wir seit Jahren, dass afrikanische Frauen in  unserer Gemeinschaft sind und  Christus in Wort und Tat verkünden.

Was traust Du mir, alt geworden in Deinem Orden, in unserer heutigen Kirche und Welt zu? Was könnte Dich in einem Gespräch mit mir berühren? Mit Joan Chittister möchte ich Dir sagen, es lodert noch immer „Feuer unter dieser Asche“ in meinem Herzen. Ich leide an der Kirche unserer Tage, in der Menschen das Heil nicht erfahren haben und ihr den Rücken kehren. Ich frage Dich eindringlich: Wo und wie können Menschen die Frohe Botschaft neu erfahren? Wo gibt es Hoffnung auf ein geistliches Leben, das Menschen befreit und erneuert? Was sagst Du, lieber Vater Dominikus? Ich höre:

Deine Fragen interessieren mich. Ich möchte Dir sagen, wie ich es in meinem Leben gemacht habe:

  • Ich habe auf das konkrete, leidvolle Leben der Menschen geschaut.
  • Ich habe auf ihre Nöte gehört.
  • Ich habe sie nicht verurteilt, auch wenn sie auf Abwege geraten sind.
  • Ich habe mit ihnen auf Augenhöhe geredet und versucht, sie zu verstehen.
  • Ich habe sie an meinem Glauben und an meiner Beziehung zu Jesus Christus teilhaben lassen.
  • Ich habe Schwestern und Brüder für die Sendung um mich versammelt und habe die Zustimmung der Kirche dafür erbeten.
  • Es war in meinem Sinn, dass der Predigerorden eine demokratische Struktur erhielt, die immer wieder die Erneuerung ermöglicht hat. Davon könnte die Kirche heute lernen.
  • Ich bin der festen Überzeugung, dass die Beteiligung der Frauen an der Sendung der Kirche heute absolut wichtig ist.  

Deine Antworten, lieber Vater Dominikus, geben mir viel zu denken. Lass mich erkennen, dass die Erneuerung der Kirche in meinem Herzen anfängt.